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Der Bokeh-Master

Alte Linse an alter K200D
Durch Zufall bin ich im Netz auf ein manuelles Glas von Soligor aufmerksam geworden. Eigentlich bin ich bisher kein großer Freund des manuellen Scharfstellens, aber dieses Objektiv hier hat mich neugierig gemacht. Seine Freunde nennen es auch vollmundig den Bokeh Master. Eher ungewöhnlich für ein Weitwinkel. Das "MC Soligor C/D Wide-Auto 1:2.8 f=20mm" stammt noch aus analogen Zeiten und spielte mit seiner Brennweite die Rolle eines Ultraweitwinkels an Kleinbild-Kameras.

An einer PENTAX DSLR ist die Abbildungsleistung ein wenig bescheiden. Die Brennweite entspricht am 1,5x Crop der K-5 einem normalen Weitwinkel. Die Schärfe finde ich nicht gut, der Randabfall ist bei Offenblende doch erheblich. Abblenden hilft ein wenig, aber am Rand bleibt die Schärfeleistung des Objektivs insgesamt schwach. Im Zentrum ist die Schärfe bei Offenblende akzeptabel, mehr aber auch nicht. Dieses Objektiv zwingt einen dazu, das zu fokussierende Motiv möglichst zentral zu platzieren, wenn einem Schärfe wichtig ist. Für Architektur oder Landschaft ist es meines Erachtens daher nicht zu gebrauchen.

Nachbearbeitung überdeckt
die wenig gute Schärfe
Die Besonderheit dieses Objektivs liegt woanders, nämlich in seiner Art und Weise, unscharfe Bereiche abzubilden. Gemeinhin gilt das Bokeh eines Objektivs als gut, wenn die unscharfen Bildbereiche weich, ruhig und unauffällig dargestellt werden. Dafür maßgeblich ist die Zeichnung der Zerstreuungskreise, die möglichst kreisrund und gleichmäßig beleuchtet sein sollten. Idealerweise "fließen" die Kreise angenehm ineinander. Der unscharfe Bereich soll eben nicht mit dem in der Regel fokussierten Hauptmotiv konkurrieren und von diesem ablenken. Einen netten kurzen Artikel zum Thema gibt es auf dem Weblog nopublica: Was ist eigentlich Bokeh. Wichtigste Erkenntnis: Bokeh ist subjektiv. Was gut oder schlecht ist, entscheidet letztendlich der eigene Geschmack. Die Bevorzugung einer unaufgeregten, weichen Unschärfe ist vielleicht mehrheitsfähig, aber eben kein optisches Gesetz.

Das Soligor macht alles anders. Oder eben falsch, wenn man den obigen Ausführungen folgt (was man aber eben nicht muss). Sein Bokeh ist eher harsch und spielt sich in den Vordergrund, steht im Wettstreit mit den scharfen Bereichen des Fotos und wirkt auf mich irgendwie schon aggressiv. Im Vergleich zu meinen anderen Objektiven erscheint die Anzahl der gezeichneten Verstreuungskreise bei gleicher Aufnahmesituation höher. Die Kreise bilden leuchtende Ringe, so dass sie sehr kontrastreich ausfallen. Auch möchte ich Doppelkonturen nicht ausschließen. Diese mache ich am Bildrand in vermeintlich fokussierten Bereichen aus, und daher erahne ich mal den Effekt auch verstärkt in den Unschärfe-Bereichen. Der spezielle Bokeh-Effekt des Soligor wird naturgemäß besonders bei kleinen Blendenzahlen (also weit geöffneter Blende) sowie in ausgeprägten Gegenlichtsituationen erreicht.   

Vergleich zwischen Soligor 20mm und Tamron 17-50mm bei offener Blende. Der Unterschied ist deutlich:
das Tamron (rechts) zeichnet die Unschärfe eher weich und defensiv, während das Soligor (links) deutlich
seine Zertstreuungskreise mit Leuchtringen zur Schau stellt.
Man kann das Bokeh dieses Objektivs nun mögen, oder nicht. Aber langweilig ist es nicht. Es fällt auf. Das Soligor 20mm ist ein Objektiv, das zum Experimentieren einlädt. Es gilt, möglichst Motive in Gegenlichsituationen zu suchen mit starken Kontrasten und vielen Reflektionen im Hintergrund. Dann ran ans Motiv bis zur Naheinstellgrenze, Blende auf ... und staunen. Eine aggressive Bildbearbeitung später tut dann ihr übriges.

Schöne Bildbeispiele finden sich in der ! Soligor C/D Wide-Auto 20mm F2.8 Flickr Group !. Ich selbst bin sicherlich noch in der Phase, das Objektiv richtig kennenzulernen und die "richtigen" Motiven dafür zu finden. Vielleicht probier ich auch mal eine Nahlinse aus?
Die nachfolgenden Beispielfotos mit meinem Soligor sind übrigens kräftig nachbearbeitet (Schärfe, Kontrast, Farbdynamik) - so wie es das Objektiv eben verlangt ;-)




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