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Ricoh GR III im Test - Understatement in Schwarz

Wie die Verpackung, so auch die Kamera: Understatement pur.
Endlich hat Ricoh das siebente digitale Modell der GR Reihe auf den Markt gebracht, das dritte mit APS-C großem Sensor nach der GR von 2013 (➚ GR Story). Während die GR II vor vier Jahren nur ein leichtes Update gegenüber der ersten GR war, bietet die neue GR III einige Innovationen gegenüber den beiden Vorgängern: neues kompakteres Gehäuse, neues Touch-Display, neuer erstmals stabilisierter 24 Megapixel Sensor, neu gerechnetes Objektiv. Ich hatte nun die Gelegenheit, ein Presseexemplar der Kamera für zwei Wochen nach Benalmádena bei Malaga (Südspanien) mitzunehmen und in der Praxis zu testen ...

Ein kurzer Hinweis zu Beginn: dies ist ein Praxisbericht mit den Eindrücken, die mir persönlich hängen geblieben sind und mir wichtig erscheinen, subjektiv und ohne Anspruch auf Objektivität oder Vollständigkeit. Bis auf meine private Vorliebe zur Marke PENTAX (und damit auch Ricoh) gibt es keine Abhängigkeiten zur Firma Ricoh Imaging. Natürlich dennoch ein herzliches Danke an Wolfgang nach Hamburg für die Leihgabe.

Schwarz, kompakt, schnörkellos im Design: die Ricoh GR III

HANDHABUNG


Was ist das ultimative Maß einer Kamera für Kompaktheit? Ja genau, das berühmte Hosentaschenformat. Diese meist überstrapazierte Metapher ist bei den GR Modellen Programm, erst recht bei der neuen GR III. Während Breite und Höhe gegenüber den Vorgängern annähernd gleich geblieben sind, ist die Neue noch ein wenig kürzer geraten (➚ Größenvergleich camerasize.com).

Dabei lässt sie sich weiterhin tadellos halten und einhändig bedienen, egal ob quer oder hochkant. Sie fühlt sich leicht, aber von den Materialien sehr hochwertig an, ein echter Handschmeichler eben. Und natürlich gleitet sie problemlos in eine Jeans Hosentasche, anders als z.B. die Fujifilm XF100 als direkte Konkurrentin, die in allen Dimensionen ein wenig größer ist, inbesondere 8 Millimeter "dicker" aufträgt.

Ein kurzer Druck auf den ON/OFF Schalter oben, und der Objektivtubus schnellt aus dem Gehäuse fast ohne Verzögerung heraus. Das passiert schneller und weniger weit als bei den beiden Vorgängern. Praktisches Detail: wenn allein Bilder betrachtet werden sollen, kann bei ausgeschalteter Kamera nur die Play Taste hinten gedrückt werden, das Objektiv bleibt dann eingefahren (das wiederum konnten die Vorgänger auch).

Bedienelemente GR I (unten) und GR III im Vergleich
Von außen betrachtet gibt es beim Gehäuse zunächst Verzicht - einmal wie oben erwähnt bei der Länge, aber es fehlt auch der eingebaute Blitz (dazu später mehr) und einige Schalter.
So verzichtet die GR III auf die Plus-Minus-Wippe zur manuellen Anpassung der Belichtungskorrektur, die an der GR ganz rechts oben positioniert war. Die Anpassung der Belichtung erfolgt nun direkt über Rechts-Links-Anschlag der ADJ Taste, die bei der GR noch für die ISO Verstellung verwendet werden konnte (nicht musste).

Über das Drücken des ADJ Schalters wird wie früher eine konfigurierbare Funktion aufgerufen, und dann über Rechts-Links angepasst. Welche Funktionen das sind, kann im Menu festgelegt werden. Allerdings sind nicht alle Optionen möglich, die ich mir gewünscht hätte. So kann bspw. die Gesichtserkennung oder der ND-Filter direkt auf die neue Fn Taste oberhalb des Steuerkreuzes gelegt werden, aber eben nicht als eine eigene ADJ Funktion. Die Fn Taste nimmt den Platz der früheren Einheit aus AF Funktionshebel und Taste ein, welche es bei der GR III nicht mehr gibt.

Auch wurde das Layout des Steuerkreuzes ein wenig verändert. Die bei der GR programmierbare, linke Fn1 Taste ist nun für ISO vorgesehen, die rechte Blitz Taste weicht dem Selbstauslöser bzw. Einstellung zur Bildfolge (Serien-Modus). Die Oben-Taste für Makro und Unten-Taste für Weißabgleich sind geblieben. Der Aufruf des umfangreichen Menus erfolgt nun über eine eigene Taste unten links, die bei der GR noch als Selbstauslöser Fn2 Taste diente.

Aufgeräumtes Tastenlayout der GR III. Um das Steuerkreuz legt sich das neue Drehrad,
dafür entwallen die Plus-Minus-Wippe und die AF-Tasteneinheit

Um das Steuerkreuz herum legt sich nun neu ein zusätzliches Drehrad, wie ich es von den Sony RX100 Modellen kenne. Allerdings kann das Rad nicht zur direkten Verstellung von Aufnahmeparametern wie Blende, Zeit etc. genutzt werden (oder hab ich da was übersehen). Für die Einstellung von Belichtungszeit und Blende dienen in den P, Av und Tv Belichtungsprogrammen weiterhin der ADJ Hebel und das vordere Drehrad vor dem Auslöser. Das Steuerrad wird derzeit nur zum Verstellen von Funktionswerten im Menu oder bei der Ansicht zur Bildwahl genutzt. Schade eigentlich, hier wäre für ein zukünftiges Firmware Update noch Potential.

La Nina (Benalmádena Pueblo) | 1/1000s | f/5,6 | ISO 200 | GR III
Am Kiesstrand von Benalmádena | 1/1000s | f/5,0 | ISO 200 | GR III
Meeresausblick (Benalmádena) | 1/640s | f/8 | ISO 200 | GR III

Wenn ich gerade die Belichtungsprogramme anspreche: das obere Programmwahlrad wurde aufgeräumt, wenn ich es positiv formulieren möchte. Wenn ich es kritischer benennen möchte, fehlt nun eine Vollautomatik (grünes Programm), das PENTAX typische TAv-Programm zur gleichzeitigen manuellen Vorwahl von Zeit und Blende und der Video Modus.

Gerade den Verzicht auf Video finde ich unglücklich. Vielleicht ein Statement von Ricoh, dass die GR III eher als Fotoapparat denn als Videorekorder zu verstehen ist? Andererseits ist die frühere seitliche Effect Taste nun zur Video/Drahtlos Taste umfirmiert, um doch ein schnelles Umschalten zwischen Foto und Video zu ermöglichen. Aber eben auf Kosten einer weiteren Taste, die ich bei der GR doch gerne für Bildeffekte oder manchmal den (weiter vorhandenen) ND-Filter umprogrammiert habe. Also was denn nun? Die Taste kann ich bei der GR III zwar auch weiterhin umstellen, dann fehlt mir aber wie beschrieben die Möglichkeit, per physikalischen Schalter mal schnell zu Video zu wechseln.

Als Alternative kann Video über das Menu aktiviert werden. Das Menu ist gewohnt umfangreich, wenn auch nun besser strukturiert. Es gibt fünf Haupt-Ebenen: Still Image, Movie, Playback, Customize und Setup (letztere Abgrenzung hat mir auch bei Olympus Kameras selten geholfen). Es gibt so viele konfigurierbare Parameter, dass auch hier ordentlich gesucht und gescrollt werden darf. Dank Touch-Bedienung geht aber der Zugriff im Menu flotter von der Hand.


So kann die Umschaltung von Bild und Video sowohl über die (Still) Image Capture Settings (5) als auch über die Movie Shooting Settings (4) im Menu erfolgen. Mal ehrlich, wer ab und an spontan (also zeitnah) ein Video aufnehmen will, sollte eine Taste per Programmierung dafür opfern. Dabei praktisch ist, dass bei den User Modes U1, U2 und U3 die Tasten-Festlegungen mit gespeichert werden, und diese User Modes noch direkt über Programmwahlrad angewählt werden können.

Mir unverständlich: beim Löschen verdeckt das Menu das halbe Bild.
Das macht die GR I (unten) besser.
Zum Abschluss noch eine Kleinigkeit. die mir ebenfalls unangenehm aufgefallen ist. Ich liebe an meiner GR die Möglichkeit, Fotos schnell durchlaufen und dabei löschen zu können. Die GR III kann das natürlich auch, nur wurde das Lösch-Menu jetzt auf der rechten Hälfte platziert und überlagert leider das halbe Bild. Damit wird die Beurteilung unnötig erschwert, ob ich nun das Foto Löschen will oder nicht. Hier hoffe ich stark, dass Ricoh in einem Firmware Update wieder zur Lösung der GR I und II zurückfindet.

Insgesamt hat sich also Handling der Kamera einiges geändert und muss neu erlernt werden. Das klingt aber jetzt alles vielleicht viel gewaltiger, als es ist. Natürlich lässt die Kamera sich immer noch schnell und direkt bedienen, nur halt ein wenig anders. Dazu kommen die Vorteile des Touch Displays.

BERÜHR MICH


Der Verzicht einiger Steuerelemente ist wohl der größeren Kompaktheit des Gehäuse geschuldet, aber  die Touch Bedienung über das Display macht hier einiges wett. So kann per Fingerzeig im umfangreichen Menu navigiert und Werte verstellt werden (nicht immer konsistent, manchmal benötigt man auch physische Tasten), und in der Wiedergabe durch Fotos gewischt und mit Zwei-Finger-Gesten gezoomt werden. Dank der Smartphone Konditionierung der letzten Jahre klappt das ganz intuitiv. Dabei reagiert der Monitor schnell und präzise.

Das Display hat nun ein natives 3 zu 2 Format, was dem Sensor-Format und meinem gewohnten Bildverhältnis entspricht. Die Helligkeit ist in der Standard-Einstellung durchschnittlich, und reicht für Spaniens Süden trotzt eher schlechterem Wetter mit vielen Wolken (der erste Regen seit November, was für ein Glück) oft nicht aus, um den Monitor als Sucher treffsicher nutzen zu können. Hier verbessert die Einstellung für die Draußen Helligkeit (Outdoor View Setting) die Situation deutlich, so dass ich mir diese direkt auf die Fn Taste gelegt habe. Ein Zurückstellen auf niedrigere Werte empfiehlt sich aber, will man den Akku schonen (auch dazu später mehr).

Ausblick zum Meer (Benalmádena Pueblo) | 1/500s | f/5,6 | ISO 200 | GR III
Aprilwetter am Viborilla Beach (Benalmádena) | 1/800s | f/5,6 | ISO 100 | GR III
Mirador de la Cañada del Lobo (Torremolinos)  | 1/1250s | f/4,5 | ISO 100 | GR III

Dennoch gerät die Bildkomposition bei direkter Sonneneinstrahlung selbst bei maximaler Helligkeit zu oft zur Glückssache, gerade wenn die Kamera nicht direkt vor dem Kopf gehalten und/oder der Monitor abgeschattet werden kann. Hier würde ein beweglicher Monitor (oder noch besser ein eingebauter Sucher, ich darf hier träumen) wirklich helfen. Den gibt es aber eben nicht bei der GR III (wie bei allen Vorängern), auch wenn dieser bei vielen auf der Wunschliste stehen dürfte. Dass Ricoh innovative Monitor-Aufhängungen kann, hat der Hersteller mit der PENTAX K-1 bewiesen, aber eben dann auf Kosten von Platz, die die Ricoh Ingenieure bei der GR wohl um jeden Preis einsparen wollten.

AUTOFOKUS LICHT UND SCHATTEN


Für mich persönlich ist der große Vorteil eines Touch Displays, der Kamera per Fingertip zu zeigen, wo sie scharf stellen soll. Dabei kann die GR III so konfiguriert werden, dass nur der Bereich selektiert (aber noch nicht fokussiert), oder aber auch fokussiert, oder sogar nach Fokussierung direkt ausgelöst werden soll. Letztere Einstellung bietet also die unmittelbarste Schnappschuss-Erfahrung mit automatischer Fokussierung. Aufgrund der eher hohen Schärfentiefe des fixen Weitwinkels fährt man auch mit dem klassischen Vorgehen Zentral-Fokussieren-Schwenken-Auslösen ganz gut, aber die direkte Anwahl über den Touch-AF ist doch die bequemere und gerade bei nahen Motiven zuverlässigere Methode.

Der Autofokus werkelt bei gutem Licht flott und trifft zuverlässig sein Motiv. Ricoh bewirbt seinen "Hochgeschwindigkeits-Hybrid-AF" recht vollmundig, der Kontrast und Phasen-AF auf dem Bildsensor vereine "hervorragende Fokussierpräzision und -Geschwindigkeit". Und tatsächlich geht das Fokussieren gefühlt klar schneller als noch mit der GR I/II von der Hand.

Kapuzenmenschen an Gründonnerstag (Benalmádena Pueblo) | 1/50s | f/3,2 | ISO 200 | GR III
Große Prozession an Oster-Sonntag (Benalmádena Pueblo) | 1/3200s | f/8,0 | ISO 1600 | GR III
Maria unterwegs am Gründonnerstag in Malaga | 1/1600s | f/3,2 | ISO 200 | GR III

Mit zunehmenden Abwesenheit von Licht nimmt die Präzision und Geschwindigkeit der AF Einheit leider deutlich ab. Bei Low Light kann der Autofokus gerne auch mal weit mehr als eine Sekunde das Objektiv vor und zurück (und wieder vor) fahren, bis der Fokus vermeintlich sitzt. Und selbst dann liegt die Schärfe nicht immer in der Ebene wie vom Fotografen beabsichtigt, auch wenn die Kamera dies per grün aufleuchtendem Rechteck im Bild zurückmeldet. Aber dennoch: gegenüber der GR I und II hat sich der Autofokus der GR III klar verbessert.

Ende April veröffentlichte Ricoh das erste Firmware Update 1.10, welches unter anderem die AF Leistung bei dunklen Bildpartien und geringem Kontrast verbessern soll. Nach meiner Rückkehr aus Spanien wollte ich mein Presseexemplar der Kamera eigentlich direkt zurück nach Hamburg schicken, war aber neugierig und nahm mir noch das Wochenende zum Einspielen des Updates und Herumspielen speziell mit dem Autofokus.

Tatsächlich habe ich nach Aktualisierung mit der neuen Firmware für mich eine Änderung des Autofokus Verhaltens bei Low-Light feststellen können, wenn auch kein so einheitliches Bild. Mal schien der AF zügiger zu funktionieren, mal auch wieder nicht. Allerdings fehlte mir jetzt auch die Zeit (und Expertise) für weitere Tests, ob denn zumindest die Zuverlässigkeit bei schlechten Lichtbedingungen sich verbessert hat.

Meine ersten Eindrücke zum AF vor und nach dem Firmware Update habe ich im nachfolgenden Video festgehalten. Ich habe ein wenig mit mir gerungen, ob das Video vielleicht als unfair gesehen werden kann, weil die Bedingungen doch sehr speziell sind. Aber andererseits deckt sich das dort gezeigte Verhalten mit meinem subjektiven Erfahrungen der beiden Praxiswochen, insofern ist mein Gewissen rein ;-)


Weiterhin habe ich überlegt, ob meine Erwartungen gegenüber des Hybrid-AF überzogen sind, und habe daher noch einmal mit meiner kleinen Panasonic Lumix LX15 verglichen. Ich muss konstatieren, dass die Lumix hier bei Schummerlicht der Ricoh in Sachen Geschwindigkeit überlegen ist. Aber ich habe mit der LX15 auch relativ viel Ausschuss mit Fehlfokussierungen.

Was nutzt dann Geschwindigkeit, wenn die Präzision fehlt? Also mache ich meinen Frieden mit der AF Leistung der Ricoh GR III. Mir genügt sie.

MISSION SCHNAPPSCHUSS


Alle bisher aufgeführten Eigenschaften der GR III definieren aus meiner Sicht ihre eigentliche Bestimmung, die Schnappschuss-Fotografie. Und das meine ich nicht despektierlich, sondern mit vollem Ernst und Wertschätzung für dieses Sujet. Ein guter Schnappschuss basiert eben nicht auf Beliebigkeit und Zufall, sondern eher zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und die GR III ist das passende Werkzeug dafür.

Das harmlos wirkende und sehr kompakte Gehäuse verschreckt niemanden bei der Aufnahme. Wer kann schon so eine kleine Kamera richtig ernst nehmen geschweige denn als Bedrohung sehen? Wenn ich da mit meiner K-1 ankomme, sieht die Sache ganz anders aus ... Die GR erlaubt es unverkrampft, spontan und flott "aus der Hüfte" zu fotografieren. Auch wird die Kamera gerne und ohne Scheu von fremden Händen akzeptiert, um schnell einen Schnappschuss zu machen. Point&Shoot, da braucht es keine Erklärung. Allenfalls der Hinweis, dass die Kamera wirklich keinen Zoom hat ...

Nächster Punkt: die Kamera ist sehr schnell einsatzbereit. Ruck zuck aus der Hosen- oder Jackentasche gezogen, wenn die GR III nicht sowieso ständig in der Hand liegt. Kurzer Druck auf den ON/OFF Schalter und die Kamera ist in unter einer Sekunde aufnahmebereit.

Dann die 18,3 mm Brennweite, die ca 75 Grad Bildwinkel bedeuten und somit sehr einfach "viel Raum" erfassen. Die 24 Megapixel einer Aufnahme genügen dann, um später in der Nachbereitung gegebenenfalls den fehlenden Zoom oder wenig sorgfältige Komposition beim Schnappschuss auszugleichen und einen Bildausschnitt zu wählen.

Und zum Abschluss die geringe Auslöser-Verzögerung gepaart mit dem richtig schnellen Autofokus (bei bei normalen Lichtbedingungen, siehe oben), gerne im Auto-Area AF Modus, dazu eventuell noch die Gesichtserkennung zu geschaltet.

Tapas Bar in Mijas | 1/30s | f/4,5 | ISO 4000 | GR III
 La Cañada del Lobo (Torremolinos) | 1/1000s | f/2,8 | ISO 100 | GR III
An der Küste von Benalmádena | 1/1000s | f/5,6 | ISO 500 | GR III

Wenn es noch schneller gehen soll, bietet die Kamera wieder die Snap Focus Funktion wie ihre beiden Vorgänger. Hierbei kann die GR III mit einer fixen Entfernung (Snap Focus Distanz) voreingestellt werden, die bei kompletten Durchdrücken des Auslösers genutzt wird. Die GR versucht dann erst gar nicht, die Entfernung per Autofokus zu ermitteln. Was mir zum Glück hier noch fehlt, wäre übrigens eine einstellbare "Snap-Blende", mit der die Kamera beim Durchdrücken als Zeitautomat das Foto macht unabhängig vom gerade gewählten Belichtungsprogramm.

All diese Eigenschaften machen mein besonderes GR III Foto-Erlebnis aus. Die Kamera ist in meinen Augen der Snapshooter schlechthin.

BILDERGEBNIS - BILDERLEBNIS


Die GR III hat ein 18,3 Millimeter Objektiv mit offener Blende 2,8. Das entspricht auf Kleinbild einer klassischen 28 Millimeter Festbrennweite. Von den Daten entspricht das den Vorgängern, das Objektiv wurde aber für den neuen 24 Megapixel APS-C Sensor neu konstruiert. Damit geht auch eine bessere Makro Fähigkeit einher. Im speziellen Makro-Modus beträgt die minimale Entfernungseinstellung nur 6 Zentimeter.

Die subjektiv empfundene Schärfe ist bereits bei Offenblende im Zentrum sehr gut. Sie fällt dann zu den Rändern unter der virtuellen Lupe in der Einhundert-Prozent-Pixel-Peeping-Ansicht ein wenig ab, ist aber ist immer noch gut. Abblenden hilft natürlich. Insgesamt ist das Objektiv der GR III sicher kein Sigma-Schärfe-Monster, aber es gibt auch überhaupt keinen Grund zum Tadel. Im Vergleich schlägt sie sich bspw. besser als meine PENTAX K-5IIs plus DA 21mm Limited Objektiv oder meine K-1 mit dem DFA 28-105mm in der Weitwinkel Stellung. Daumen hoch!

Fotos im Gegenlicht gelingen ganz gut. Der Kontrast bricht nicht ein, und ich konnte auch keine störenden Flares feststellen. Auch gibt es bei Offenblende keine auffälligen Probleme mit chromatischen Aberrationen (Farbfehler).

Blüten Makro | 1/60s | f/3,5 | ISO 200 | GR III
Palmen-Idylle am Playa de la Carihuela (Torremollinos) | 1/2000s | f/3,2 | ISO 200 | GR III
 Keine Saison am Playa de la Carihuela (Torremollinos) | 1/1600s | f/4,5 | ISO 100 | GR III

Was die optische Leistung betrifft, bin ich insgesamt also sehr zufrieden. Es gibt allerdings zwei Aspekte, die nur bei Betrachtung von Aufnahmen im DNG Rohdaten-Format auffallen werden, weil die Kamera bei JPEGs diese weitgehend korrigiert. Zum einen gibt es deutliche Abschattungen zu den Ecken hin, die selbst beim Abblenden nie so recht verschwinden wollen. Ich bin ja ein Fan von Vignetten, und füge sie gerne in der Nachbearbeitung am PC manuell hinzu, aber eben nur wenn es das Motiv auch hergibt.

Der zweite Aspekt betrifft eine leichte tonnenförmige Verzeichnung. Ich habe in Spanien einige Fotos am Meer gemacht. Bei Anwendung des Gerade-Ausrichten-Werkzeugs am Horizont ist mir aufgefallen, dass das Meer immer einen leichten Bogen gezogen hat, anstatt eine gerade Linie am Abschluss zum Horizont zu ziehen. In den JPEGs korrigiert die Kamera dies natürlich, genau so wie es in diesem Format keine Randabschattung gibt.

Insgesamt liefert die GR III eine sehr gute Bildqualität bereits ab Offenblende, die auch für großformatige Drucke genutzt werden kann. Die Aufbereitung der Bilddaten vom Chip erfolgt gewohnt defensiv, so dass mehr Potential für die Nachbearbeitung bleibt. Helligkeitsrauschen ist relativ schnell bei steigenden ISOs erkennbar, dafür aber sehr fein und ohne Bilddetails zu zerstören. Insofern folgt die Kamera einer guten Ricoh/PENTAX Tradition. Persönlich habe ich als Auto ISO Obergrenze 3200 gesetzt.

Die leichte Verzeichnung und Abschattungen zum Rand bei Raws lassen sich per Software korrigieren, wenn sie überhaupt stören. Lightroom (Classic) bietet ab Version 8.3 ein Objektivkorrekturprofil zur automatischen Anpassung.

Vollmond über "Playa Bonita" (Benalmádena)   | 0,3s | f/5,0 | ISO 1600 | GR III
Am Playa Malibu (Benalmádena)  | 1/640s | f/5,6 | ISO 100 | GR III
Vor den Gästen am Viborilla Beach (Benalmádena)   | 1/640s | f/5,6 | ISO 200 | GR III

Erwähnen möchte ich noch die Optionen, um verschiedene Filmlooks simulieren zu können wie einen Farb-Diafilm, diverse SW Varianten mit verschieden harten Kontrasten, Bleach Bypass oder Retro. Das gab es auch bereits bei den beiden Vorgänger Modellen, die seitliche Effect Taste war sogar dort explizit dafür voreingestellt. Zusammen mit Raw+JPEG kann ohne Scheu herumexperimentiert werden, weil neben dem je nach Bildsteuerung verfremdeten JPEG als Fallback immer noch die Raw-Datei im DNG Format bereitsteht. Das Schöne bei den GR Modellen: die SW Varianten sind wirklich wunderbar anzusehen direkt aus der Kamera. Mein persönlicher Favorit ist aber der Positive Film (fast alle GR III Fotos in diesem Beitrag sind damit aufgenommen).

ET CETERA


Was den eingebauten Mini-Blitz der GR betrifft, gibt es nichts zu beschönigen: der ist bei der GR III weg. Für einige ist das scheinbar wirklich tragisch, für mich nicht. Viel mehr kann man dazu nicht schreiben, aber ich möchte einen Tipp loswerden für eine Alternative, die nicht nur zum Aufhellen genutzt werden kann.

Der eher unbekannte LightPix Labs FlashQ Q20 II ist ein kleiner, manueller Blitz mit Leitzahl 20, extra LED Dauerlicht und - jetzt kommt es - abnehmbaren Blitzschuh zum drahtlosen Blitzen. Ich bin begeistert von dem kleinen Ding, passt in meinen Augen vom Konzept ideal zur GR Reihe, kann aber auch bei allen Kameras mit Blitzschuh und Standard-Mittenkontakt genutzt werden. Gekauft habe ich den in UK bei Photospecialist für knapp über 80 EUR.

Mein Tipp fürs portable Blitzen passend zur GR (nicht nur III): der FlashQ Q20 II
Vor dem Sturzm am Castillo de la Mota, Vordergrund angeblitzt | 1/400s | f/8 | ISO 1600 | GR III

Hier gibt es ein kleines Video auf YouTube, dass die Anwendung des FlashQ Q20 an einer Ricoh GR in der Praxis bei einem Shooting zeigt:



Dann der Akku. Tatsächlich habe ich in den zwei Wochen akribisch aufpassen müssen, dass mir der Strom tagsüber nicht ausgeht. Natürlich ist das dann doch ab und an passiert. An die 200 Fotos sollen mit einer vollen Ladung möglich sein. Wenn aber mit den Kamera-Einstellungen noch viel herumgespielt wird, die Display Helligkeit bei Sonnenschein maximal hoch geregelt werden muss und die Bildergebnisse immer wieder in Playback kontrolliert werden, dann waren es auch mal nur knapp über 100 Fotos.

Dafür bietet die GR III einen modernen USB-Typ-C Anschluss (kann nicht falsch herum angesteckt werden), mit dem per Powerbank auch unterwegs nachgeladen werden kann.  Die Anschaffung von Reserve-Akkus ist aber sicher eine empfehlenswerte Ausgabe. Es gibt auch bereits günstige externe USB Ladegeräte von Drittanbietern.

Wichtiges Utensil im täglichen Einsatz: USB-C Kabel zum Laden des Akkus in der Kamera

An einem anderen leidigen Thema komme ich bei der GR Reihe leider nicht vorbei: Staub auf dem Sensor. Das ist eigentlich in meiner Wahrnehmung der Nummer-1 Kritikpunkt an den älteren GR Modellen. Auch meine GR I hat mittlerweile viel Staub eingeatmet und müsste eigentlich dringend zum Service. Natürlich fallen die Flecken nicht immer auf, aber bei geschlossener Blende und hellen Flächen (bspw. Himmel) können sie schon unangenehm auffallen. Derzeit helfe ich mir noch mit Wegstempeln in der nachträglichen Bildbearbeitung.

Der Himmel zeigt gleich zwei Problemfelder: Randabschattung und Sensorfleck | 1/50s | f/16 | ISO 200 | GR III

Mit dem in der GR III erstmals eingeführten aufgehängten Sensor gibt es nun eine mechanische Sensorreinigung, in dem der Sensor in Schwingung versetzt wird, um etwaigen Staub abzuschütteln. Dies kann so konfiguriert werden, dass die Ultraschall-Reinigung bei jedem Ein- und Ausschalten der Kamera auch angewandt wird. Die Kamera quittiert dies durch ein leises Ziepen, welches durch die Vibrationen bei der Reinigung entsteht.

Um so überraschter war ich, als ich beim Abschluss meiner Zeit mit der GR III ein paar Fotos in den Wolkenhimmel gemacht habe und tatsächlich einen Schatten entdecken musste. Ich habe dann in alten Fotos nachgeforscht, um zu schauen, ob dieser Fleck schon zu Beginn meines Tests da war. Den Flecken habe ich dann auch auf einem Foto am ersten Tag entdecken können. Ich vermute, dass sich in der Praxis ein Staubkorn durch das Ein- und Ausfahren des Objektivs angesaugt und auf den Sensor gelegt hat. Theoretisch könnte es natürlich sein, dass der Flecken von Anfang an da war, mag ich aber nicht glauben. Die Sensorreinigung hat hier leider über die zwei Wochen Nutzung keine Abhilfe schaffen können. Es ist zu befürchten, dass Staub im Kamerainneren ein Thema bleibt, wenn auch hoffentlich bei der GR III in abgeschwächter Form.

ZUM SCHLUSS


Noch vor drei Jahren resümierte ich in einem Blog Beitrag zur ersten GR mit großem Sensor:
"Die Ricoh GR hat ihren guten Ruf und ihre zahlreichen Freunde zurecht verdient, sie passt nur einfach nicht zu mir. Falls aber mal ein Nachfolger mit Bildstabilisierung und Touch-Display kommt, hab ich keine Ausrede mehr ..."
Ganz gehalten habe ich mich daran nicht, denn ein Jahr später habe ich mir wieder eine GR I gebraucht gekauft, zu der ich immer wieder greife, wenn ich es leicht und kompakt haben will. Dabei liefert die GR eine Bildqualität wie eine ausgewachsene Pentax DSLR ab, und macht durch ihre durchdachte und unkomplizierte Bedienung einfach nur Spaß.

Ein Herz für die GR III  | 1/30s | f/7,1| ISO 800 | GR III

Und jetzt also die GR III, die (fast) alles besser macht und genau die Wünsche erfüllt, die ich damals formuliert habe. Sie ist noch schneller, liefert noch mehr Qualität, bietet noch mehr Möglichkeiten. Abstriche gibt es durch die verringerte Akku-Laufzeit und dem fehlendem Blitz. Weiterhin problematisch ist die Bildkomposition bei grellem Licht. Und leider scheint das Thema Sensorflecken doch noch nicht ausgestanden.

Aber dennoch, in meinen Augen ist die GR III der Snapshooter schlechthin. Es hat unheimlich viel Spaß gemacht, mit der Kleinen zu fotografieren, und die Bildergebnisse stimmen. Dazu kommt ein zeitlos schönes Design, Understatement pur. Was will ich mehr? Nicht viel, wenn Ricoh jetzt noch beim Nachfolger einen elektronischen Sucher wie bei der Sony RX100 Reihe unterbringen könnte, dann habe ich wirklich keine Ausrede mehr ...

Nach dem Regen (Benalmádena) | 1/200s | f/5,6 | ISO 200 | GR III

POSTSCRIPTUM


Einen bzw. zwei hab ich noch. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Berichten und Videos zur GR III im Netz. Das freut mich, weil es das große Interesse an der neuen GR zeigt. Ich gönne Ricoh Imaging den (hoffentlichen) Erfolg. Besonders viel Spaß gemacht hat mir ein Tokyo Reisebericht von Patrick Ludolph (➚ Neunzehn72), den ich gerne hier verlinken möchte. Soviel Spaß kann man also mit der GR III haben. Und dann noch ein Review von Mattias Burling. Bei ihm hält der Akku sogar für 300 Fotos (?!) ...




Kommentare

  1. Danke für den ausführlichen Bericht. Besonders gefallen die praktischen Erfahrungen - ich schätze es sehr, 'real life' Erfahrungen sind sicherlich wichtiger als trockene Spezifikationen, die es im Übringen überall sonst auch gibt. Wichtig für mich waren insbesondere die Erfahrungen zum Objektiv, zum Sensorstaubproblem und zum Akku. Ich bin (recht) zufriedener GR II Benutzer und trage mich mit dem Gedanken, auf die GR III auf- resp. umzusteigen. Nochmals herzlichen Dank für den tollen Artikel!

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    1. Vielen Dank, ich freue mich wirklich, wenn der Erfahrungsbericht helfen kann. Viele Grüße, Dirk

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  2. Hallo Dirk! Heute zufällig auf deinen Bericht zur GRIII gestoßen, der mir sehr gut gefällt, locker und erfrischend geschrieben. Ich kann bis jetzt alles nachvollziehen, obwohl ich die GRIII erst sein wenigen Tagen besitze. Ich mag die Kleine, sie macht Spaß, und ein paar Kritikpunkte findet man an jeder Kamera. Was mir fehlt ist ein Sucher und dass sie nicht abgedichtet ist. Und den Blitz habe ich heute geordert, bevor ich deinen Bericht gelesen habe. Dirund deinen Lieben ein erholsames Weihnachtsfest, schade dass es bei dir nicht mit Freiburg im nächsten Jahr klappt. Man liest sich und sieht sich sicherlich irgendwann wieder.
    LG, Hannes21

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    1. Vielen Dank fürs Lob. Ja, der kleine Q20 Blitz ist wirklich klasse, den nutze ich mittlerweile auch gerne mit der OMD. Ich freue mich auch auf ein Wiedersehen, wenn auch leider nicht in Freiburg. Viele Grüße Dirk

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  3. Hallo, klein, leicht, handlich bei Bedarf ein Aufstecksucher, super Konzept.Haben sie erfahrung mit der Aufsteckfestbrennweite? Gruss Paul.

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