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Ein Wochenende mit Fujifilm: X-T20 im Kurztest

Auch andere Mütter haben schöne Töchter: Fujifilm X-T20 plus XF18-55mm

Ich sehe mich eigentlich nicht als PENTAX Fanboy. Auch wenn ich seit Jahren PENTAX in Großbuchstaben in meinem Blog Artikeln schreibe. Aber ich betreibe keine aktive Überzeugungsarbeit, andere Mitmenschen von der Einzigartigkeit dieser Marke überzeugen zu wollen. Ganz im Gegenteil, ich könnte gerade in diesen Zeiten niemanden ohne Vorbehalte zu einer DSLR Kamera dieses Herstellers raten, zu ungewiss erscheint mir die Zukunft. Allerdings weiß ich wiederum ganz genau, was ich an diesem System habe und was ich an ihm schätze.

Dazu fahre ich seit einigen Jahren bereits zweigleisig. Neben der PENTAX Ausrüstung habe ich noch eine Olympus MFT Kamera, dazu ein paar kompakte Objektive. Letztes Jahr hat sich noch eine ältere Lumix GF6 für meine Tochter dazu gesellt. Natürlich ist mir nicht entgangen, dass gerade im letzten Jahr viel Bewegung im Markt ist, und der Spiegel bereits von den anderen Herstellern so gut wie abgeschrieben scheint. Es beschleicht mich bereits das Gefühl zu den fotografischen "Gestrigen" zu gehören. Da passt es gut, dass ich mir zuletzt mit der MX und MZ-5N zwei Analogkameras mit K-Bajonett gekauft habe. Obwohl, analoge Fotografie ist wieder hip, oder?

Auftakt


Wie auch immer,  natürlich schaue auch ich ab und an neugierig zu den anderen Herstellern. Seit dem letzen Jahr sind nun auch Canon, Nikon und Panasonic in den Markt für spiegellose Kameras mit größeren Bildsensoren eingetreten. Dennoch gibt es seit Jahren mit Fujifilm einen anderen Mitspieler, der mit seinen Kameras und Objektiven immer wieder mein Interesse weckt. Auf den Photokina Messen der vergangenen Jahre hatte ich immer mal wieder ein Modell in der Hand und mich gefragt, ob die Fujis eine Alternative für mich darstellen. Insbesondere wenn PENTAX als Marke aufgeben müsste - wohl wissend, dass meine Technik zu Hause dann nicht plötzlich aufhören würde zu funktionieren.

Das Fujifilm System ist ähnlich kompakt wie das APS-C System von PENTAX, dafür eben ohne Spiegel mit allen Vor- und wenig Nachteilen. Dazu gibt es eine überschaubare, aber feine Auswahl hervorragender Optiken. Einen besonderen Reiz übt auf mich der Retro Ansatz aus, sowohl in Bezug auf das äußere Erscheinungsbild als auch die klassische Bedienung über exklusive Drehräder für Belichtungszeiten, Belichtungskorrektur und Blende am Objektiv.  Während ich die Kameras auch immer attraktiv fand, hatte ich in Bezug auf die Bedienung immer so meine Zweifel, inwiefern dieser Ansatz den variabel wirkenden Rädern für Daumen- und Zeigefinger einer PENTAX DSLR zusammen mit eigener ISO- und Belichtungskorrektur-Taste Paroli leisten kann. Versuch macht bekanntlich klug, und so habe ich mir endlich einmal eine Fujifilm Kamera für einen Kurztest übers Wochenende besorgt.

Meine Wahl fiel auf die Fujifilm X-T20 mit dem lichtstarken XF18-55 Standard Zoom. Die X-T20 ist zwar nicht das neueste und stärkste Modell, aber solide Mittelklasse, in meinen Augen vergleichbar mit einer PENTAX K-70. Und es ging mir ja auch hauptsächlich um die Bedienung, da braucht es nicht das neueste Modell mit schnelleren AF oder Serienrate. Dazu konnte ich mir von einem Arbeitskollegen noch das Fujinon XF 23mm F1.4 Objektiv ausleihen. Für den direkten Vergleich passte in die Fototasche noch meine K-5IIs mit dem 21er Limited Objektiv, sowie meine Olympus OM-D E-M10 Mark II.

Klassische Bedienung


Und wie viel grüner und saftiger ist nun das Fujifilm Gras? Zunächst möchte ich voraus schicken, dass ich die Marke wirklich mag. Meine allererste Digitale war eine Finepix F601Z von 2002, die ich immer noch irgendwo habe und die - wie die Kameras heute - ebenfalls durch ihr Design zu gefallen weiß. Der Body der X-T20 ist einfach hübsch anzusehen, ich mag diesen Retro Auftritt. Allerdings hält nach meinen Empfinden die Materialauswahl und Haptik nicht ganz den Anspruch, der Plastik Anteil am Gehäuse dominiert. Auch ist die Bedienung für mich trotz der vielen Drehräder wenig(er) praktikabel. Das beginnt bereits bei dem Einschalter.  Der ist zwar wie bei PENTAX als Drehschalter um den Auslöser gestaltet, fällt aber wie der Auslöser selbst sehr klein aus.

Wie schon ein wenig befürchtet, konnte ich einfach keine Vorteile der exklusiven mechanischen Drehräder für Zeit, Korrektur und Blende am Objektiv für mich erkennen. Ein blindes Verstellen mit dem Auge am Sucher ist möglich, aber im Vergleich zu den sonst dafür üblichen Daumen-Zeigefinger-Rädern sperriger, unbequemer. Dazu kommt das Umgreifen zum Objektiv, wenn die Blende angepasst werden soll. So sehr ich dem Charme des klassischen Bedienkonzepts erliegen möchte, praktisch finde ich diese Art der Bedienung immer noch nicht. Eigentlich vorhersehbar, denn ich kenne die Bedienung auch von alten PENTAX Objektiven der K und M Serie, bei denen es keine Automatik-Stellung am Blendenrad gibt. Zur Ehrenrettung: bei den besseren Fujifilm Kameras kann die Blende auch auf das rückwärtige Daumen-Drehrad gelegt werden.

Die Olympus -M10 II ist noch ein gutes Stück kompakter und leichter als die X-T20

Nicht hilfreich für die Bedienung ist das Fehlen eines ausgeprägten Handgriffs, wenn auch die Kamera durch den flachen Griff optisch gefälliger und mehr Retro wirkt. Meine analoge PENTAX MX ist auch mehr Augenschmaus als Handschmeichler. Bei der Olympus gibt es ebenfalls keinen echten Griff zum sicheren Festhalten, aber hier sind auch Kamera und Objektiv einfach leichter und kompakter. Ein ergonomischer Griff lässt sich im Zubehör nachrüsten, kostet halt extra und wirkt immer irgendwie aufgesetzt.

Bildergebnisse


Ohne Fehl und Tadel bewerte ich die Bildqualität der Kamera und Objektiv Kombination. Schon das Standard XF18-55mm Objektiv liefert ausgezeichnet ab. Ein klarer Pluspunkt ist die relativ hohe Lichtstärke ab 2,8 im Weitwinkel und 4,0 in leichter Telestellung. Die Abbildungsleistung zu den Rändern hin ist selbst bei Offenblende sehr, sehr ansprechend. Ich glaube sogar, dass dieses Zoom das beste Standard-Zoom ist, welches ich jemals an einer Kamera - egal welcher Marke - begutachten durfte. Die Kamera wird noch mit zwei anderen Kit Objektiven angeboten (XC15-45 und 16-50), die günstiger sind aber auch weniger Leistung versprechen.

Hausboote am Sint-Pieterskaai (Brügge)
Blick entlang Spiegelrei und Spinolarei auf die Poortersloge in Brügge

Eine Besonderheit des Fujifilm Systems ist der sogenannten X-Trans Sensor in APS-C Größe, der ein komplexeres Pixelmuster als die einfache 2x2 Bayer Matrix der Sony Sensoren aufweist, die PENTAX in seinen DSLRs verbaut. Dem Sensor wird ein besseres Auflösungsvermögen zugesprochen, unter anderem durch weniger Anfälligkeit für Rauschen und Moirés bei feinen Strukturen. Die Aussicht auf die besonderen Bildergebnisse waren auch ein Grund, warum ich mir die Fuji genauer ansehen wollte. Und ich gestehe, in der 100-Prozent Ansicht sehe ich im Vergleich mit Testfotos einer vergleichbaren K-70 (also ebenfalls 24 Megapixel Sensor in APS-C Größe) bei hohen ISO Werten ein gefälligeres Luminanz-Rauschen. Aber eben nur in Nuancen, und das ist für mich nicht mehr relevant, da bin ich mittlerweile entspannter als früher. Bei Detailauflösung und Farbstabilität kann ich persönlich eh keinen Unterschied ausmachen.

Dann zählt schon eher der spezielle Bildlook, der im Zusammenspiel von Sensor, dem eingesetzten Objektiv und der Entwicklung in der Kamera oder später am Rechner entsteht. Und der sehr individuell bewertet (oder eher gefühlt) wird. Ich versuche mich jetzt nicht ernsthaft an einer Definition des Begriffs, aber es geht in meiner Interpretation ungefähr darum, bestimmte wiederkehrende und gefällige Effekte in den Fotos zu entdecken, sei es eine besondere Plastizität (wieder so ein schwieriger Begriff) oder Farbanmutung. Den besonderen Fujifilm Look konnte ich jetzt in der kurzen Zeit nicht entschlüsseln, wenn mir auch klar ist, dass andere ihn für sich gefunden haben und damit glücklich sind. Ich bin ja auch überzeugt, dass die FA Limited Objektive von PENTAX bei der Produktion mit Feenstaub gepudert wurden - und man dies in den Fotos erkennt.

Der heilige Johannes von Nepomuk in der JPEG Filmsimulation Classic Chrome ...
... Velvia ...
... und Acros

Was ich aber nachempfinden kann ist die Begeisterung für die Fuji Filmsimulationen, die eben jeweils solch einen speziellen Look erzeugen. Ich habe in meiner Kindheit tatsächlich mit analogen Fuji Filmen fotografiert, sowohl Negative als auch Dias.  Alleine schon diese emotionale Verbundenheit lässt mein Herz bei Betrachtung der JPEGs aus der X-T20 höher schlagen. Witzigerweise gefällt mir Classic Chrome am besten, welcher ausgerechnet keinem echten Film der Vergangenheit nachempfunden, sondern eine digitale Neuentwicklung ist. Aber Achtung, jetzt ein kleiner Seitenhieb auf die Umsetzung: warum werden bei Einstellung der Bildqualität auf  FINE+RAW und gleichzeitiger Filmsimulation-Serie (bei mir Classic Chrome - Velvia - Acros) nur JPEGs gespeichert, und keine Raw Datei mehr? Diesen Fauxpas habe ich leider erst am Ende meines Tests und Sichtung der Fotos bemerkt.

Aus Neugier habe ich ein paar gleiche Motive sowohl mit dem Fujinon XF23mm an der XT-20 als auch mit dem 21mm Limited an der PENTAX K-5IIs fotografiert. Dann habe ich mir den Spaß gemacht zu versuchen, in Lightroom die Entwicklung des PEFs an das Bildergebnis der Fuji anzugleichen. Ich behaupte mal, dass niemand wirklich erkennen kann, welche Bearbeitung mit welcher Kamera und welchem Sensor aufgenommen wurde. Ich relativiere: ich kann es nicht.

Am Strand bei De Haan. Fufjfilm oder PENTAX?
PENTAX oder Fujifilm?

Ok, was will ich eigentlich sagen? Ich finde die Bildergebnisse der Fujifilm grandios, besonders die Verwendung der Filmsimulationen für stimmungsvolle JPEGs (sofern die Schärfung weniger stark eingestellt wird) machen Laune. Aber ich konnte das Einzigartige nicht finden, dieses ganz Spezielle, was viele Fotografen in ihrer Marke sehen und letztendlich viel Emotion ist. Ist aber auch vermessen, dies mir in einem Wochenende erarbeiten zu wollen. Zumal ich davon überzeugt bin, dass dieses Gefühl auch immer mit einer bestimmten Markenverbundenheit einhergeht.

Resümee


Was bleibt nach (nur) zwei Tagen? Offensichtlich reichte die Zeit nur für einen kurzen Einblick. Ich bin ehrlich, bei mir entscheiden schon die ersten Minuten, ob ich eine Kamera mögen möchte, oder nicht. Die X-T20 hat es mir schwer gemacht. Der Erstkontakt war freundlich, aber auch ein wenig reserviert. Ich glaube, weil ich das System mögen möchte, mir aber einfach nicht die Bedienung und Haptik richtig zusagt.

Ich kann aber erahnen, warum Fujianer ihr System lieben. Die Punkte, die mich gereizt haben, das System auszuprobieren haben gewiss nicht enttäuscht. Die technische Bildqualität ist aus meiner Sicht hervorragend. Das Angebot an Objektiven gefällt mir gut, (nicht nur) für den Einstieg ist das XF18-55mm ein klasse Allrounder, der detailreiche Ergebnisse liefert. Die Filmsimulationen liefern JPEGs, die Spaß machen und gut aussehen. Das Gehäusedesign macht mich weiterhin an, zumindest aus der Entfernung. Die Fujifilm X-T20 liegt mir nicht gut in der Hand, das Umgreifen zum Objektiv zum Einstellen der Blende nervt, und auch die Räder und sonstigen Tasten liegen für mich nicht optimal, irgendwie sperrig. Das mag bei einer X-T2 oder X-T3 oder sogar X-H1 (die bisher einzige Fujifilm mit beweglichen Sensor) wieder anders ausfallen.

Letztendlich hat mir der Ausflug viel Freude bereitet. Ich bin aber auch ein wenig geläutert und schätze meine PENTAX Kameras vielleicht sogar wieder ein wenig mehr als vorher. Vom Handling und Bildergebnis gibt es auf jeden Fall für mich überhaupt keinen Grund, am System zu zweifeln. Und wer weiß, vielleicht überrascht uns Ricoh zum 100-jährigen Geburtstag der Marke PENTAX dieses Jahr noch mit einer echten Innovation. Das wird aber ganz sicher kein neues spiegelloses System sein.

Das XF18-55 Kit Zoom ermöglicht Freistellung durch (Un-) Schärfe
Chrome Classic a la PENTAX :-)

Kommentare

  1. Schöner Artikel und gut auf den Punkt gebracht. PENTAX und Fuji eint vermutlich, dass sie ihre Objektive eher konservativer, und damit weniger auf Kontrast optimiert, abstimmen. In sofern sind sich das 21er Limited und das 23er Fuji recht ähnlich. Hättest Du die Fuji mit der E-M10 und dem 12-40 verglichen, wäre der Unterschied wahrscheinlich deutlicher gewesen, da die Oly-Kombi (auch was den AF angeht) stark uf Kontrast optimiert ist. Ich bin mit meiner X-T1 und der X-Pro1 sehr zufrieden und schiele trotzdem immer wieder mal zu PENTAX, weil die in meinen Augen manche Dinge einfach konsequenter und damit auch ein Stück weit richtiger machen - gerade was den Staub und Spritzwasserschutz angeht.

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