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Analog in Berlin

Mit der PENTAX MX unterwegs durch Berlin

Vor zwei Wochen haben wir uns mit den Kindern ein paar Tage Auszeit genommen und Berlin besucht. Mein Bruder arbeitet dort und hat uns seine Zweitwohnung zu Verfügung gestellt, die er derzeit wegen Corona und Homeoffice-Primat nicht nutzt.

Ich hatte mir im Vorfeld bereits überlegt, mit möglichst wenig (Foto-) Gepäck loszuziehen und der Fotografie keinen all zu hohen Stellenwert bei diesem Trip einzuräumen. Aber ohne geht es eben auch nicht, und so hatte ich dann doch wieder drei Kameras dabei, wenn auch nur kompakte Vertreter. Die Wahl fiel auf meine Ricoh GR, meine neue Lumix G81 und dann eben einen analogen Klassiker. Die Pentax MX war noch vom letzten Jahr mit einem einfachen Kodak Gold 200 aus dem Drogeriemarkt bestückt und wartete darauf, endlich einmal leer geknipst zu werden.

Die MX hatte ich vornehmlich an einem Ausflugstag an der Gedenkstätte Berliner Mauer sowie Prenzlauer Berg dabei. Die Kamera macht wirklich einen Heidenspaß. Bis auf den Belichtungsmesser mit roten und grünen LEDs, der auch nur noch leidlich funktioniert, ist die Kamera voll mechanisch: Film transportieren, Belichtung einstellen, mit Schnittbild im Sucher fokussieren - alles manuell. Die kürzeste Verschlusszeit der MX liegt bei gerade einmal 1/1000 Sekunde. Zum Vergleich: die G81 schafft über den elektronischen Verschluss 1/16000 Sekunde. Aufgrund des sonnigen Wetters in Berlin war dies tatsächlich für mich die größte Beschränkung, weil ich so weniger mit offener Blende spielen konnte als ich es sonst gerne mag.

Demo gegen Rassismus vor dem Brandenburger Tor
Bernauer Straße Ecke Strelitzer Straße mit Blick auf den Alex

Eine absolute Offenbarung ist der optische Sucher, gerade im direkten Vergleich zum eigentlich auch nicht so schlechten elektronischen Sucher der G81. Aber mit der lichtstarken Normalbrennweite und einer Sucher-Vergrößerung von 0,95 ist der Durchblick bei der MX einfach nur ein Genuss. Aufgrund der klareren Mattscheibe ist das Sucherbild auch brillanter als das einer digitalen DSLR. Selbst der Prismensucher einer PENTAX K-1 scheint mir da nicht mithalten zu können.

Und die Ergebnisse? Die lassen naturgemäß ein wenig auf sich warten, eine direkte Kontrolle ist bekannterweise nicht möglich. Dennoch fällt der Blick nach dem Auslösen noch all zu oft auf die schwarze Kamerarückwand. 

Gedenkstätte Berliner Mauer - Blick auf den Todesstreifen
Gedenkstätte Berliner Mauer -Abgang

Obwohl die Bedienung einer so einfachen manuellen Spiegelreflex eigentlich im Vergleich zu den Feature-überladenden Systemkameras dieser Tage keine Geheimnisse haben sollte, kann ein Blick in die Bedienungsanleitung lohnen. Das hätte mir auf jeden Fall einige Kopfschmerzen und Zeit erspart, denn beim Rückspulen hatte ich nicht im Blick, dass eine kleine Rückspultaste am Kameraboden eingedrückt werden muss. So hat das übermütige Drehen an der Spule leider zum Abreißen des Films geführt, anstatt ihn wieder in die Patrone zurückzuziehen. Der Film konnte dennoch in einer nächtlichen Session im Badezimmer bei heruntergelassenen Rolladen gerettet werden, in dem ich ihn blind aus der Kamera entnommen, aufgewickelt und in Alufolie verpackt habe.

Den Film habe ich bei Foto Weckbrodt entwickeln und scannen lassen. Das ging erstaunlich schnell, am Freitag in die Post gegeben, und am Montag hatte ich bereits eine Mail mit einem Download-Link. Einmal digital habe ich auch bei diesen Fotos in Lightroom ein wenig an den Reglern gedreht, aber nur in Nuancen, und zumeist bei den Tonwerten.

Sind die Ergebnisse meiner analogen Fotografie jetzt besser als mit einer digitalen Kamera? Technisch gesehen natürlich gar nicht. Also wirklich gar nicht. Sie haben halt genau den analogen Charme aufgrund ihrer Imperfektion, den ich erwartet habe. Wo liegt dann genau der Reiz der analogen Fotografie für mich? Für mich ist es der Akt der Aufnahme selbst, der den Spaß ausmacht. Das Handwerkliche steht im Vordergrund. Das helle, ehrliche Sucherbild. Die Geräusche der Mechanik beim Auslösen. Die Gegenwehr des Films beim Weiterspulen. Und natürlich die Spannung auf das Ergebnis. 

Noch ein netter Nebeneffekt: meine Protagonisten im Bild geben sich mehr Mühe, still zu stehen und nett in die Kamera zu schauen, denn sie wissen, jedes Foto ist wertvoll.

Gedenkstätte Berliner Mauer - Stelenwände
Gedenkstätte Berliner Mauer - Maueropfer
Fünf Pizzen Abstand
Berlins berühmteste Currywurstbude
Posieren vor einer ehemaligen Tankstelle (Prenzlauer Berg)
Ein Platz für Emotionen (Hackesche Höfe)
Warten auf Pizza Pasta in Zeiten von Corona

Kommentare

  1. Wo liegt dann genau der Reiz der analogen Fotografie für mich? Für mich ist es der Akt der Aufnahme selbst, der den Spaß ausmacht. Das Handwerkliche steht im Vordergrund. Das helle, ehrliche Sucherbild. Die Geräusche der Mechanik beim Auslösen. Die Gegenwehr des Films beim Weiterspulen. Und natürlich die Spannung auf das Ergebnis.

    Damit hast Du das auf den Punkt gebracht und sehr schön beschrieben was ich immer versuche den Leuten zu erklären (die über analoge Kameras schmunzeln) wenn sie mich beim Analog-Fotografieren "erwischen". Ich sollte mir das ausdrucken und denen dann eine Kopie überreichen wenn sie wieder Kopfschüttelnd meine Aktionen belächeln.
    Du hast damit genau die Worte gefunden die alles aussagen

    Danke und Gruß, Roman

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    1. Guten Abend! Lieben Dank für diesen Kommentar, über den ich mich wirklich heute sehr gefreut habe. Tatsächlich nehme ich meine MX viel zu selten in die Hand bzw. führe sie zum Fotografieren aus. Tatsächlich hatte ich seit Berlin keinen Film mehr eingelegt. Und wie es der Zufall so will, habe ich gestern (!) Abend einen Provia 100 eingelegt und die Kamera heute mit beim Wandern. Mein Ziel: den Film bis Ende des Sommers voll bekommen und mich an den Ergebnissen erfreuen. Viele Grüße, Dirk

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