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Groeten uit Rotterdam - Ricoh GR IIIx im Praxistest

Mit dem Titel dieses Beitrags hatte ich meine Mühe. Er hätte eigentlich heißen müssen: Wie ich mir spontan die Ricoh GR IIIx gekauft habe, nachdem ich aus dem Fujifilm System ungeplant ausgestiegen bin, und die kleine Ricoh mich dann auf einen ersten Städtetrip nach Rotterdam begleitet hat. Aber der Titel wäre wohl zu lang gewesen.

Was ist geschehen? Ich hab im Blog nie darüber geschrieben, aber ich habe vor einem Jahr mein Zweitsystem komplett umgestellt. Seit vielen Jahren hatte ich zusätzlich zu meinem PENTAX Kram ein kleines MFT System, zunächst von Olympus, dann von Panasonic Lumix. Letztes Jahr im Sommer bin ich dann auf Fujifilm-X umgestiegen. Auslöser war mal wieder die Neugier nach etwas Neuem und der Drang, ein modernes spiegelloses System haben zu "müssen", um "mit der Zeit zu gehen". Die Fujifilm X-S10 war vom Gehäuse noch kleiner als meine Lumix G81, die Objektive ähnlich kompakt wie im PENTAX APSC Sortiment, aber eben auch deutlich größer als vergleichbare Gläser im MFT System.

Die X-S10 (r.) im Größenvergleich zur Pentax KP.
Das Fujifilm Gehäuse ist noch kompakter.

Das Fujifilm System gefällt mir ganz gut, mit den Bildergebnissen bin ich sehr zufrieden, mit der Bedienung weniger. Dennoch bin ich manchmal gestresst, wenn es darum geht, eine Auswahl zu treffen, mit welcher Hardware ich beim nächsten Ausflug losziehen soll oder was ich in den Urlaub einpacke. Die berühmte Qual der Wahl. Dann vor vier Wochen der große Schreck: die Kamera verabschiedete sich ohne Vorwarnung mit einem Ausrufezeichen und der Meldung "Schalten Sie die Kamera aus und wieder ein" auf dem Display. Eine Recherche im Netz ergab einen Defekt von Verschluss oder Sensor. Ich kontaktierte Amazon, und mir wurde auf Nachfrage neben der Reparatur auch die Rücknahme und Erstattung des vollen Kaufpreises angeboten. Ich habe eine Nacht über die Entscheidung geschlafen, und dann den Defekt als Wink des Schicksals interpretiert, als meine Chance zur Reduktion. Kurzentschlossen wurde die Kamera zurückgeschickt und meine Objektive bei eBay verkauft.

Damit bin ich zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder allein mit Kameras von Ricoh bzw. PENTAX unterwegs. Und ich besitze jetzt keine Kamera mehr mit einem elektronischen Sucher. Ich weiß, die Entscheidung dürften viele nicht nachvollziehen können, zu offensichtlich erscheinen die funktionalen Vorteile spiegelloser Kameras mit EVF. Aber der Sucher der X-S10 war wirklich nicht gut. Diesbezüglich werde ich nichts vermissen. Fujifilm hat natürlich Kameras mit besser auflösenden Suchern im Programm, das hätte aber ein ganz anderes Investment bedeutet, und dazu fehlt mir die Bereitschaft. Das darf sich auch irgendwann wieder ändern, dieses Jahr aber eher nicht. Ich habe Jahre lang parallel mit und ohne Spiegel fotografiert, so dass ich für mich heute feststellen kann, dass ich immer noch mehr Freude am satten Klack des Spiegelschlags und dem direkten Blick durch einen optischen Sucher habe.

Mit der Auflösung des Fujifilm Systems stand jetzt einiges an Budget zur Verfügung. Auch weil Ricoh vermutlich jeden Euro gebrauchen kann, habe ich (schon fast im Affekt) in eine GR IIIx reinvestiert, die meine alte GR als Immerdabei-Kamera ergänzen darf. Ohne Spiegel, aber eben auch ohne elektronischen Sucher.

Meine neue GR IIIx. Unscheinbare Qualitäten. 

Vor ziemlich genau drei Jahren kam ich in den Genuss, das Schwestermodell in Malaga (Spanien) testen zu dürfen. Mein Testbericht zur GR III ist bis heute einer der am meisten abgerufenen Posts auf meinen Blog. Da die GR IIIx eine GR III mit anderer Festbrennweite ist, spare ich mir jetzt einen erneuten Praxistest, denn alle damals beschriebenen Eigenschaften bezüglich Handhabung und Gehäusequalität finde ich auch an der neuen wieder. Allein die Optik macht den Unterschied.

Die GR IIIx bietet eine 40 Millimeter Kleinbild-äquivalente Brennweite, die gerade sehr in Mode zu sein scheint, denn viele Hersteller wie Sigma, Nikon oder Sony haben eine 40 mm Festbrennweite in ihr Programm genommen. Doch keine ist so schön und kompakt wie die PENTAX Pancake Variante (am ehesten noch das Canon Modell). Ich hatte vor vielen Jahren für meine damalige PENTAX K-5 das DA 40mm Limited angeschafft, und aktuell besitze ich eine K-01 mit der noch kompakteren XS Variante. Überhaupt haben die 40mm eine lange Tradition im PENTAX Sortiment, die erste M Pancake Variante debütierte bereits im Jahr 1976.

DA 40 XS - schmaler gibt's nicht

Die GRs passen wirklich in die Hosentasche
 und sind somit ideale Begleiter im Alltag

Doch was ist das Besondere an dieser Brennweite? Warum also die GR IIIx, und der damit verbundene Aufpreis gegenüber der bis auf die Optik baugleichen GR III? Für mich stellt das Objektiv der neuen GR die ideale Normal-Brennweite für viele Gelegenheiten dar. Zum einen spannen die 40 Millimeter das Bildfeld etwas weiter auf als die sonst bei Systemkameras so populären 50 mm Optiken (auch als Nifty-Fifty bekannt). Der Bildeindruck ist dennoch von den Proportionen her sehr ausgewogen. Mit den 40 mm gelingen ebenso natürlich wirkende Portraits ohne Verzerrungen, können aber zugleich mehr Kontext im Hintergrund geben. Tatsächlich ist ein 40er Objektiv noch näher dran am (scharf empfundenen) Sehfeld des Menschen als ein 50er. Dazu sei noch der Hinweis erlaubt, dass die Länge der Diagonalen im 35x24 Kleinbild-Format nur 43 Millimeter betragen, und dies dann die rechnerische Normalbrennweite ist. Eine solche projeziert wohl auch in etwa die gleiche Tiefenstaffelung von Objekten wie das menschlichen Sehen. Welcher Hersteller hat noch einmal ein 43er im Programm?

Marathonstatue und Erasmusbrücke | f/4
Wandmalerei in einer Seitenstraße der belebten Witty | f/4

Auf der anderen Seite stehen da die weitwinkligen 28 Millimeter der GR IIIx Vorgänger. Hier läuft man aufgrund des breiteren Bildwinkels nicht in Gefahr etwas zu verpassen, aber in meinen Augen ist diese Brennweite schwieriger zu beherrschen, erfordert mehr Übung und vor allem geringere Distanzen, um beispielsweise eine Person formatfüllend in Szene zu setzen. Dabei besteht die höhere Gefahr unvorteilhafter Verzerrungen aufgrund der Kombination aus kurzen Abstand und weiten Winkel, besonders zum Bildrand. Wie das dennoch ganz hervorragend aussehen kann, zeigen beispielsweise die Fotos von Andrea Bianco.

Die 40 Millimeter der GR IIIx erscheinen als der optimale Kompromiss, und sind eben einfacher zu handhaben, wenn vermehrt Menschen fotografiert werden sollen. Der Vollständigkeit möchte ich erwähnen, dass die Brennweite der Kamera faktisch 26,1mm beträgt, was dem Crop-Faktor des kleineren APSC Sensors geschuldet ist, aber immer noch ungefähr der rechnerischen Normalbrennweite entspricht.

Vor der Kaufentscheidung war ich kurz verunsichert, ob der engere Bildwinkel nicht doch eine zu große Einschränkung bedeuten könnte. Platt gesagt passt halt weniger aufs Bild. Andererseits besitze ich bereits seit Jahren eben die GR I, und die bleibt auch im Portfolio und macht weiter prima Fotos. Somit ist die GR IIIx die natürliche Erweiterung. Die Praxis der letzten Wochen hat mich bestätigt. Die Brennweite ist wirklich sehr universell einsetzbar. Der Nutzen gerade beim Porträtieren von Menschen überwiegt in meinen Augen den vermeintlichen Nachteil der fehlenden Weite. Und letztere kann durch Stitching mehrere Fotos immer noch erarbeitet werden.

Wenn der Bildwinkel von 40mm nicht reicht, helfen mehrere Fotos.
Mein Fehler: der JPEG Bildstil mit Vignette führt zu
unschönen Übergängen beim Panorama Stitching.

Das Objektiv der GR IIIx bildet bereits bei offener Blende unglaublich scharf ab. Der nominelle Wert 2,8 der Offenblende beeindruckend vielleicht nicht sonderlich, garantiert aber weiter die kompakte Bauweise der Kamera und entspricht auch der Lichtstärke der Pentax SLR Objektive mit gleicher Brennweite. Die Offenblende genügt in Kombination mit der gemäßigten 40 mm Brennweite für ein ausreichendes Spiel von Schärfe und Unschärfe, auch bei Halbkörper-Portraits. Subjektiv empfinde ich die Optik als noch schärfer als die der GR III mit ihren 28 mm KB-Äquivalent, sie ist aus meiner Sicht uneingeschränkt ab f/2,8 verwendbar. Leicht abgeblendet wird die Auflösung noch bis in die letzten Ecken ausgereizt.

Überragende Schärfe, hier 100% Ansicht einer Ecke in Lightroom 

Jetzt habe ich doch viel mehr über die Anschaffung und Beschaffenheit der Kamera geschrieben, als ich mir ursprünglich vorgenommen hatte. Eigentlich wollte ich mehr über Rotterdam schreiben und Werbung für die zweitgrößte Stadt der Niederlande machen. Doch vorab noch ein Hinweis zu den gezeigten Fotos: fast alle Aufnahmen sind direkt in der Kamera als JPGs im Bildstil Positivfilm entstanden, welcher für den warmen Farbton und die leichte Vignette verantwortlich zeichnet.

Rotterdam hat mich sehr positiv überrascht. Dazu beigetragen hat sicher unsere zentrale Unterkunft in einem Dachappartement am Museumspark, in unmittelbarer Nachbarschaft der Witte de Withstraat. Die auch liebevoll genannte Witty ist die (!) Ausgehstraße Rotterdams, mit zahlreichen Cafes, Boutiquen und Restaurants. Egal ob zum Frühstück, mittäglichen Snack oder Flanieren am Abend, die Straße war immer wieder unser Anlaufpunkt. Kleiner Tipp: mein Favorit für den kleinen Imbiss ist die Frietboutique, mit der leckersten Kaskroket meines Lebens.

Daniel in froher Erwartung | f/4

Tags auf der Witty | f/2,8

Nachts auf der Witty | f/3,2 | 1/6s | iso100

Rotterdam hat viele Attraktionen zu bieten, die ein verlängertes Wochenende gut ausfüllen können, wenn nicht sogar einen noch längeren Aufenthalt rechtfertigen. In unseren vier Tagen und drei Nächten haben wir uns mit angemieteten E-Bikes, die an allen Ecken bereit stehen, durch die Stadt treiben lassen.

Wir haben per Hafenrundfahrt einen Einblick in den riesigen Containerhafen erhalten, im Hotel New York am Wilhelminapier leckeren Kuchen und Kaffee genossen, sowie vom Euromast Turm die Skyline mit architektonisch abwechslungsreichen Hochhäusern bewundern können. Dabei wird die Stadtlandschaft von viel Wasser und Grün durchbrochen. Wahrzeichen ist die Erasmusbrücke über die Nieuwe Mass. Aber ich will jetzt nicht die touristischen Highlights weiter aufzählen, das können Reise-Blogs besser und ausführlicher beschreiben.

Rotterdam im Spiegel des Museum Boijmans van Beuningen | f/4

Kuriose Architektur - die Kubushäuser | f/4,5

Doch, ein besondere Ziel möchte ich noch hervorheben. Das Huis Sonneveld ist eine Industrievilla mitten in der Stadt aus den 30er Jahren im schlichten, funktionalen Design, Innen wie Außen. Man wandelt durch die Zimmer und Flure und wundert sich, wie durchdacht und modern die Einrichtung zu dieser Zeit bereits war - inklusive Massagedüsen in der Dusche und einer Haus-Telefon- und Haus-Musik-Anlage. Und dann das Geschirr im Esszimmer, einfach irre (im positiven Sinne). Wer also ein wenig Interesse für Architektur und Geschichte aufbringt, sollte hier mal vorbei schauen.

Blick aus dem Speisezimmer von Huis Sonneveld | f/3,2

Alte Schreibmaschine im Arbeitszimmer von Huis Sonneveld | f/3,2

Zum Abschluss sei noch ein Hinweis auf die kulinarische Besonderheit aus Rotterdam erlaubt, der Kapsalon (zu deutsch Friseursalon). Wir hatten gehörig Respekt (und anfangs auch gesundheitliche Bedenken) vor dem Fastfood-Gericht, welches aus Schichten von Pommes, Fleisch, überbackenen Gouda, Eisbergsalat und Soße besteht. 

 Wir wagten uns erst am letzten Abend an diese kalorienreiche Herausforderung, aber die befürchten Magenprobleme blieben tags darauf aus, so dass wir noch einen Besuch in der Nachbarstadt Delft wagten, bevor es dann wieder mit vorgeschriebenen Tempo 100 (sehr angenehm, warum haben wir in Deutschland noch kein Termpolimit?) nach Hause ins Rheinland ging.

Kulinarische Besonderheit aus Rotterdam: Kapsalon | f/4,5

Bildstabilisator-Test: 1s Belichtung aus der Hand | f/4 | 1s | iso100 

Wer Rotterdam als Ziel für einen Städtetrip noch nicht in Betracht gezogen hat, den möchte ich ermutigen, diese moderne, offene Stadt zu besuchen. Wir haben noch viele Attraktionen liegen lassen, um erneut zurück zu kommen. Dabei war die Ricoh GR IIIx der ideale Begleiter, immer unauffällig und dabei doch so leistungsstark.

Und so komme ich zum gleichen Fazit, wie bei meinen Test der GR III vor drei Jahren. Die GR IIIx macht unheimlich viel Spaß, ist unkompliziert, einfach in der Bedienung und liefert überragende Bildergebnisse. Dazu kommt das unauffällige, aber dennoch zeitlos schöne Design. Understatement pur. Ich freue mich jetzt schon auf die nächste Reise, bei der die GR die große Kamera vergessen machen darf.

Am Holland Amerikaplein, Hotel New York | f/4,5

Blick in die Wilhelminakade mit Nederlands Fotomuseum | f/4

Vor der Hafenrundfahrt | f/6,3

An der Fenix Food Factory | f5,6

Eten und drinken in Rotterdam | f/3,2

Wer kann diesen Pommes widerstehen? | f/3,5

Mein scharfer Flitzer im Parkhaus Museumspark | f/2,8

Cafe Kek - jung und hipp in Delft | f/3,2

Mein Blick über Delft | f/3,5

Marktplatz und Bürgerhaus von Delft | f/2,8

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